False Memories nach Traumatherapie?!
Throwaway aus Gründen.
Hallo zusammen,
Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass das hier wohl etwas ausufernder wird und mich bei jedem bedanken der das hier liest. Ich weiß ehrlich nicht mehr weiter und erhoffe mir hier evtl. fachkundige Meinungen zum Thema einholen zu können, auf die ich meine Entscheidung stützen kann. Aus Anonymitätsgründen sind Kleinigkeiten und Randdaten von mir verfälscht worden, die wesentlichen Punkte sind aber unverändert.
Worum genau es geht könnt ihr eigentlich schon dem Titel und dem Usernamen entnehmen: Wie umgehen mit (vermeintlichen) false memories einer engen Freundin nach einer Traumatherapie?!
Kurz zum Hintergrund: Eine sehr gute Freundin von mir hat soziale Arbeit studiert und belegte im Zuge dessen ein Seminar zur Traumapädagogik. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keinerlei Auffälligkeiten bei ihr, sie war ein in jeder Hinsicht "normaler" Mensch ohne großartige Zwischenfälle im Leben. Das änderte sich jedoch mit dem Besuch dieses Seminars schlagartig; so fing sie plötzlich an, sich die Lippen blutig zu beißen, mit dem Kopf gegen Wände zu schlagen und andere Dinge zu tun, die darauf schließen ließen, dass sie offensichtlich irgendein aktues Problem hatte. Ich riet ihr also, die psychosoziale Beratung der Uni aufzusuchen, sich ggf. Hilfe von außerhalb zu holen und das Fach zu wechseln. Sie kam meinem Rat nach, besuchte jene Sprechstunde und wurde von der Dame dort basierend auf ihren plötzlich aufgetretenen Symptomen an eine Traumatherapeutin verwiesen, bei der sie sich dann auch in Behandlung begab.
Long Story short: nach nicht all zu langer Zeit, ich meine etwa nach der 3. Sitzung, stand plötzlich das Thema sexueller Missbrauch in frühester Kindheit durch ihren Stiefvater im Raum. Bis zu diesem Zeitpunkt war etwas derartiges niemals Thema gewesen, sie selbst sagt, bis zur Therapie hätte sie selbst nichts davon gewusst und die Erinnerungen daran seien erst durch die Sitzungen langsam wieder gekommen, ansonsten habe sie im alltäglichen Leben keinerlei Berührungspunkte mit diesem Thema und dem damit verbundenen Trauma. Diagnostiziert wurde sie dann nach etwa einem halben Jahr letztendlich mit einer DIS und PTBS.
Das alles ist mittlerweile knapp 3/4 Jahre her und ich habe das Gefühl, dass dieser Aspekt mittlerweile einen großen Teil ihrer Persönlichkeit ausmacht. Sie hat ihren Anteilen Namen gegeben, unterhält sich regelrecht mit ihnen und hat sich innerhalb kürzester Zeit mehrere Tattoos stechen lassen, die alle irgendwie mit diesem Trauma zusammenhängen. Insgesamt scheint sie sich über ihre Diagnosen zu definieren und pendelt seither von einer Therapie in die nächste. Das Verhältnis zu ihrer Familie ist extrem verrüttet, da diese Stein und Bein darauf schwört, dass so etwas nie passiert ist. Das fängt bei ihrer Mutter an, geht über ihren Bruder, ihre Oma, den leiblichen Vater, zu dem immer sehr guter Kontakt bestand und (natürlich) weiß auch der Stiefvater von nichts. Das alles war mir völlig egal, die Reaktion der Familie empfand ich als absehbar bei einem solchen Thema und auch ihre persönliche Veränderung konnte ich mit Blick auf das Geschehene durchaus nachvollziehen und unterstütze sie wo immer möglich bei allem, was ihr bei ihrer Heilung gut tut.
So, nun kommen wir zum Kern der Sache: Ich habe im Zuge meines Studiums bei der Polizei ein Semester Psychologie und dabei Vorlesungen zum Thema false memories gehabt. Danach beschäftigte ich mich, zunächst einfach aus purer Faszination für dieses Phänomen, auch im Anschluss noch weiter damit. Alles witzig und cool, bis ich dann über den riesigen Bereich und den Berg an Literatur über verfälschte Erinnerungen im Bezug auf sexuellen Missbrauch in der Kindheit und der Entdeckung dessen während Traumatherapien gestoßen bin, in dem einfach 1 zu 1 das beschrieben wird, was meiner Freundin passiert ist: Plötzlich auftretendes, unklares "krankhaftes" Verhalten - Traumatherapie - Suggestionen - verdrängtes Opfer von Kindesmissbrauch.
Tatsächlich schließe ich heute, auch nach und wegen diverser weiterer Gespräche mit ihrer Familie und ihr selbst nicht mehr aus, dass dieser vermeintliche Missbrauch evtl. in Wirklichkeit niemals stattgefunden haben könnte. Alles an ihrer Geschichte ist genau so, wie es in Literatur und in Foren (vermeintlich) Betroffener berichtet wird und insgesamt gibt es große Logik- und Zeitfehler, die ich mir auch mit ihrem "Vergessen" nicht erklären kann.
Die Frage, die mich umtreibt, ist folgende: Was soll/kann ich hier tun? Ich bin absolut kein Profi auf diesem Gebiet und möchte auf keinen Fall Geister aus Flaschen lassen, die ich nie wieder einfangen kann. Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, ernsthaft herauszufinden, ob diese Erinnerungen tatsächlich echt sind? Ich habe sehr widersprüchliche Aussagen dazu gefunden und weiß auch nicht, wie und ob ich sowas ansprechen sollte.
Ist es besser, mit einem eventuell falschen Trauma recht ok zu leben als zu riskieren, sie mit dieser Erkenntnis erneut völlig aus der Bahn zu werfen? Ich habe mich mal gaaanz vorsichtig vorgetastet (Bugs Bunny im Disneyland, verloren im Einkaufszentrum und so) und so erfahren, dass sie dieses Phänomen nicht kannte. Sie wird diesen Gedanken also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von alleine bekommen und ich habe ernsthaft Zweifel, ob es richtig und vernünftig ist, sie darauf anzusprechen. Aber eben auch Angst davor, was das alles noch mit ihr macht, wenn ich nichts sage. Eigentlich will ich nur, dass sie irgendwie heilen kann.
Noch einmal tausend Dank an alle, die bis hierhin gelesen haben! Ich bin dankbar für jeden Ratschlag.
Edit: ich möchte hier niemandem ein Trauma absprechen und zweifel auch dessen Wahrheitsgehalt nicht an. Lediglich der Gedanke, dass ein Mensch, der mir so wichtig ist, evtl. sinnlos und unbegründet leidet, weil sie in ihrem verwundbarsten Moment [durch mich] einem schwarzen Schaf aufgessesen ist, ist für mich unerträglich.