Kumpel kifft und hat sein Leben nicht mehr im Griff
Hallo liebe Reddit-Gemeinde,
mich würden an dieser Stelle eure Erfahrungen und Ratschläge sehr interessieren, da der Freundeskreis und ich etwas ratlos sind.
Es geht um einen Kumpel aus unserem Freundeskreis (alle um die 40 bis Mitte 40), der schon seit seiner Jugend kifft. Wir machen uns aktuell Sorgen um ihn, da sein Konsum in den letzten Monaten offenbar stark zugenommen hat - laut eigener Aussage kifft er täglich - und wir merken, dass ihn möglicherweise auch der Langzeitkonsum mittlerweile stark zusetzt und ihn kaputt gemacht hat.
Er hat sein Leben derzeit überhaupt nicht im Griff. Er schafft es beispielsweise nicht, seine Wohnung (er ist Single und lebt allein) sauber zu halten und aufzuräumen, hatte zeitweise mehrere Mobilfunkverträge am laufen, weil er es nicht geschafft hat, sich um Kündigungen zu kümmern, besitzt für die kalte Jahreszeit weder Handschuhe noch Winterklamotten, ernährt sich ungesund und ist ständig in Geldnot. Zur Info: Er hat einen Full Time-Job, bei dem er klassisch 9-to-5 arbeitet und normal verdient.
Wir merken zudem, dass er auch kognitiv immer mehr abbaut und auch Anzeichen von reeller Verwirrung zeigt. Er widerspricht sich von einem Satz auf den nächsten, macht Planungen für nächste großangelegte Urlaube, obwohl er sie sich überhaupt nicht leisten kann, ist unkonzentriert, fahrig, kippelt nervös mit einem Bein, hat zig Pläne für kreative Projekte, aber startet damit nicht einmal oder lässt es nach kurzer Zeit im Sande verlaufen.
Zudem wissen wir von ihm, dass er im Grunde über ein geringes Selbstbewusstsein verfügt und sich eine "Klassenclown"-Maske aufzieht, um dies zu verbergen. Er hat bislang keine Psychotherapie gemacht und ist eher der Typ, der die Augen verschließt und Unangenehmes verdrängt - nach dem Motto: "Wenn ich mich nicht damit beschäftige, existiert das Problem nicht". In seiner Familie ist es üblich, Dinge eher mit Geld zu regeln und Unangenehmes wegzutrinken. Es geht dir scheiße? Komm, wir trinken erstmal nen Wein.
Trotz der Tatsache, dass er über 40 ist und ein eigenes Einkommen hat, hängt er noch stark finanziell von seinen Eltern ab. Sie zahlen ihm Urlaube, Auto, Reparaturen, teurere Anschaffungen etc.. Bleiben aus einem Urlaub Restbeträge (meist im kleinen dreistelligen Bereich), beispielsweise für gemeinsame Einkäufe, zurück, zahlt er diese erst nach Monaten und mehreren persönlichen Erinnerungen. Er war seit Ewigkeiten nicht mehr beim Zahnarzt, kam aber irgendwann wegen Zahnschmerzen nicht drumherum, und muss nun vier- bis fünfstellige Beträge in Zahnersatz und Behandlungen investieren.
Wir haben ihn bereits angesprochen, dass wir uns Sorgen um ihn machen. Er ist sich der Problematik bewusst, dass er seinen Konsum einstellen muss, da es sein gesamtes Leben mittlerweile beeinflusst. Er sagt, er kifft, um Stress zu reduzieren, hat aber auch keine weiteren Coping-Strategien, um mit Stress umzugehen. In den letzten Jahren hat er schon mehrfach versucht, sich das Kiffen abzugewöhnen und auch einen gesünderen Lebensstil zu pflegen - was aber nach einigen Wochen wieder passé war. Grundsätzlich scheint es ihm - vielleicht auch aufgrund des jahrelangen Konsums und seinen Auswirkungen? - an Disziplin zu fehlen.
Manchmal geht er ins Fitnessstudio oder spielt Fußball, was je nach Verfassung und Motivation mehr oder weniger regelmäßig angegangen wird. Er trinkt außerdem gerne am Wochenende und ist zudem Raucher. Seine Freizeit baut er sich oft mit sehr unrealistischen Zeitplänen mit Verabredungen voll (z.B. drei Treffen mit verschiedenen Personen an einem Abend) und weiß offenbar auch kaum etwas mit sich selbst anzufangen oder zu wissen, was er eigentlich vom Leben will und umsetzen möchte. In seiner "Me Time" sitzt er vor dem Rechner und zockt stundenlang, kifft und geht erst spät in der Nacht schlafen.
Ich weiß noch nicht genau, was ich mir von diesem Beitrag erhoffe, aber vielleicht gibt es hier in der Community ja Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und möglicherweise ein paar Ratschläge für den Freundeskreis und mich haben. Wir stehen gerade ratlos vor ihm und seiner Situation, versuchen, Gespräche anzubieten, wenn er das Bedürfnis hat zu reden, oder entspannte Freizeitaktivitäten vorzuschlagen. Wir wissen, dass es schlussendlich sein Leben und seine Entscheidungen sind, sehen aber, wie sehr er gerade abbaut und er immer mehr die Kontrolle über sein Leben verliert. Was können wir ihm empfehlen? Einen Gang zum Hausarzt, einen Termin bei der Suchtberatung, eine Psychotherapie bei suchtgeschulten TherapeutInnen? Sollten wir überhaupt Empfehlungen äußern? Natürlich muss die Motivation, etwas ändern zu wollen, von ihm selbst kommen - aber gibt es etwas, wie wir als Freundeskreis unterstützen können?
Vielen Dank an euch alle fürs Lesen und mögliche Ratschläge oder Einschätzungen.
EDIT: Ganz lieben Dank für all eure Antworten, die in fast allen Fällen sehr hilf- und aufschlussreich sind. Damit habe ich absolut nicht gerechnet - herzlichen Dank dafür. Ich kann leider nicht auf jeden einzelnen Kommentar eingehen, daher schreibe ich hier einen kleinen Zusatz.
Ich habe mittlerweile von einem Therapeuten, der auch schon im Suchtbereich gearbeitet hat, Infos zu Anlaufstellen in der Stadt bekommen, an die er sich wenden kann, wenn er das möchte.
Ich kann mir auch vorstellen, wie einige hier auch schon dargelegt haben, dass das Kiffen möglicherweise ein zugrundeliegendes Problem betäubt oder als Bewältigungsstrategie dient. Andererseits ist für mich auch ein Teufelskreis, wie ebenfalls von einigen beschrieben, denkbar, der ihn immer weiter reinzieht.
Wir werden auf jeden Fall weitermachen, ihn zu unterstützen, ihm Gespräche und Hilfe anbieten und vielleicht auch entsprechende Infos zu TherapeutInnen und Beratungsstellen bereithalten, wenn er es denn möchte. Danke für eure Anteilnahme, das hat sehr geholfen. :-)